EU-MDR vs. MRA: “Abwarten ist die schlechteste Lösung”
Tuttlingen – Der Geltungsbeginn der EU-MDR ist verschoben – und so bleibt auch Herstellern mit Sitz in der Schweiz etwas mehr Luft, sich auf einen möglichen Drittstaaten-Status vorzubereiten. Aber: „Abwarten ist die schlechteste Lösung“, befinden auch die Experten des deutsch-schweizerischen Gemeinschaftsprojekts AUREPS.
Schweizer Medizintechnik-Unternehmen konnten bisher ohne Einschränkungen auf Basis eines bilateralen Abkommens am EU-Binnenmarkt teilnehmen. Mit dem Geltungsbeginn der EU-MDR im Mai 2021 fehlt jedoch ein Institutionelles Abkommen (InstA) und damit ein MRA (mutual recognition agreement), das die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen regelt. „Die Schweiz hat damit ab 2021 faktisch einen Drittstaaten-Status“, so Olaf Schaefer von AUREPS, einem deutsch-schweizerischen Gemeinschaftsprojekt unter dem Dach der Nexos Technology GmbH in Gaienhofen. Bedeutet: Schweizer Medizintechnikunternehmen benötigen einen EU-Repräsentanten (EC-Rep) sowohl für neu zertifizierte Produkte unter EU-MDR, als auch für bestehende Produkte, die noch unter MDD 93/42 zertifiziert wurden.
Neben vielen anderen neuen Verpflichtungen für Hersteller von Medizinprodukten stellt die EU-MDR an Hersteller, die ihren Sitz außerhalb des EU-Territoriums haben sowie ihre europäischen Repräsentanten, ab 26. Mai 2021 deutlich höhere Anforderungen als die bisherige MDD 93/42. „Insbesondere die Verpflichtung, dass der EU-Repräsentant stets Zugriff auf die aktuelle technische Dokumentation der Produkte haben muss und diese hinsichtlich ihrer Compliance mit den regulatorischen Anforderungen verifizieren und freigeben muss, bedeutet einen deutlich höheren administrativen, zeitlichen und monetären Aufwand“, erinnert Olaf Schaefer.
Im Detail betrachtet wird schnell klar, welche Verantwortung und welcher Aufwand mit der Rolle eines EU-Repräsentanten jetzt verbunden ist:
Thema | Verantwortung des EC-Rep |
Konformitätserklärung | – Sicherstellen, dass für jedes Produkt eine gültige DoC erstellt wurde. |
Konformitätsbewertung | – Sicherstellen, dass das richtige Konformitätsbewertungsverfahren vom Hersteller angewendet wurde. |
Technische Dokumentation | – Sicherstellen, dass seine komplette technische Dokumentation erstellt wurde. – Bereithalten einer Kopie der kompletten und aktuellen technischen Dokumentation |
Zertifikate | – Bereithalten einer Kopie sämtlicher Zertifikate inklusiv Anhängen und Nachträgen. |
Registrierungen | – Überwachung der Registrierungspflichten des Herstellers entsprechend Artikel 31 EU-MDR (EUDAMED) und sicherstellen, dass der Hersteller die Registrierungspflichten nach Artikel 27 und 29 EU-MDR (UDI) erfüllt. |
Behörden | – Der zuständigen Behörde auf Anfrage alle Informationen und Unterlagen zur Verfügung stellen, die zum Nachweis der Konformität eines Produktes erforderlich sind. – Auf Anfrage einer zuständigen Behörde, Produktmuster weiterleitet oder Zugang zu den Produkten gewähren, und um zu überprüfen, ob die Produkte die regulatorischen Anforderungen erfüllen. – Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden, im Fall von Vorbeuge- oder Korrekturmaßnahmen, um die von Produkten ausgehenden Risiken zu beseitigen oder, falls dies nicht möglich ist, zu mindern. |
Haftung | – Der Bevollmächtigte haftet für fehlerhafte Produkte auf derselben Grundlage wie der Hersteller gesamtschuldnerisch. |
Allgemein | – Unverzügliche Information an den Hersteller bezüglich Reklamationen und Berichte von Angehörigen der Gesundheitsberufe, Patienten und Anwendern über vermutete Vorfälle im Zusammenhang mit einem Produkt. – Beendigung des Mandats, wenn der Hersteller gegen seine Verpflichtungen aus dieser Verordnung verstößt, und Information an die zuständige Behörde und gegebenenfalls die Benannte Stelle, die an der Konformitätsbewertung des Produkts beteiligt war, und die Gründe dafür. |
Quelle: AUREPS |
„Hersteller mit Firmensitz in der Schweiz, die in der Vergangenheit bereits Medizinprodukte in die EU geliefert haben, sollten spätestens jetzt prüfen ob ein EU-Repräsentant zur Verfügung steht, der die vorgenannten Anforderungen in den nächsten 11 Monaten umsetzen kann“, betont Olaf Schaefer. Generell sei dabei zu bedenken, dass die Bereitstellung und Prüfung der technischen Dokumentation sowie die Änderung der Produktlabel eine nicht unerhebliche Zeit in Anspruch nehmen. Unter anderem könne hier ein elektronisches Datenbanksystem für den Datenaustausch zwischen Hersteller und Repräsentant Vorteile bieten. “Insbesondere in Zeiten weltweit grassierender Pandemien ein nicht zu unterschätzender Vorteil, weil auf Meetings und Reisen prinzipiell verzichtet werden kann.”
Die Kontaktdaten zu diesem und weiteren Dienstleistern, die die Rolle des EU-Bevollmächtigten übernehmen können, hat die MedicalMountains GmbH in einer Liste zusammengestellt. Sie kann bei Meinrad Kempf, Tel. +49 7461 9697218, kempf@medicalmountains.de angefordert werden.