Schweizer Unternehmen ringen mit MRA und MDR
Tuttlingen – Die EU-MDR schlägt auch jenseits der Unionsgrenzen hohe Wellen, allen voran in der Schweiz: Da die Anpassung zur Anerkennung von Konformitätsbewertungen (Mutual Recognition Agreement, MRA) auf Eis liegt, wächst angesichts der nahen MDR-Deadline bei Schweizer Unternehmen die Verunsicherung, wie Medizinprodukte künftig auf dem EU-Binnenmarkt in Verkehr gebracht werden können. Viele suchen nun einen „European Authorized Representative“.
„Momentan muss davon ausgegangen werden, dass bis zum Mai 2020 kein Rahmenabkommen zustande kommt“, sagt Hans-Jörg Riedwyl von der ISS AG. Der MedTech-Dienstleister unterstützt Unternehmen unter anderem bei regulatorischen Fragen und dem Marktzugang und ist entsprechend nah an dem Thema MRA dran. Die Crux: EU und Schweiz verhandeln seit 2014 über ein sogenanntes „Institutionelles Abkommen“ (InstA). Auch als „Rahmenabkommen EU-Schweiz“ bezeichnet, sollen darin institutionelle Fragen des Marktzugangs einheitlich geregelt werden. Seit über einem Jahr liegt ein Vertragsentwurf auf dem Tisch. Aber Bern zögert mit der Unterzeichnung. Die EU-Kommission macht derweil deutlich: Ohne InstA werden weder neue Marktzugangsabkommen geschlossen noch vorhandene anpasst. Also auch nicht das MRA, wenngleich sich die Rahmenbedingungen durch die EU-MDR tiefgreifend geändert haben.
Bis vor kurzem zog der Branchenverband Swiss Medtech ein „mittelschweres Szenario“ in Betracht, wonach – je nach Auslegung der bestehenden Regelungen – ab Mai 2020 nur MDR-Produkte nicht durch das bestehende MRA abgedeckt würden. Nun aber vernehme man aus EU-Kreisen immer mehr Stimmen, dass alle Medizinprodukte betroffen seien. „Für Planungszwecke sollte von einem Worst Case ausgegangen werden“, schätzt auch Hans-Jörg Riedwyl die momentane Lage ein. Dies bedeute, dass die Schweiz aus Sicht der EU zum Drittstaat werde. Zwar könnten Produkte mit gültigem MDD-Zertifikat weiterhin in der EU in Verkehr gebracht werden. Allerdings brauche jeder Schweizer Hersteller ab dem 27. Mai 2020 einen „European Authorized Representative“ für alle Produkte, also auch mit MDD-Zertifikat. Wie Swiss Medtech in seinem jüngsten Informationsschreiben ergänzt, entschärfe das zweite Korrigendum zur EU-MDR die Situation nicht. Auch für höherklassifizierte Klasse-I-Produkte müssten die Drittstaat-Anforderungen erfüllt werden – wahrscheinlich, denn hierbei hänge es ebenfalls davon ab, wie das derzeitige Mutual Recognition Agreement ausgelegt werde.
Während der 26. Mai also unaufhaltsam näher rückt, sind die Schweizer Unternehmen von Planungs- und Rechtssicherheit noch weit entfernt. Das spürt auch die MedicalMountains GmbH. „Wir erhalten vermehrt Anfragen nach EU-Bevollmächtigten“, sagt Geschäftsführerin Julia Steckeler. Dem Bedarf folgend soll dieses Netzwerk nun ausgebaut werden: „Wer diese Dienstleistung anbietet, kann sich gerne bei uns melden.“ Je mehr Kontakte vorhanden seien, desto eher könnte Unterstützung gegeben werden – um die Wellen etwas glätten und die Folgen von MDR und MRA nach Möglichkeit abzufedern zu können.